Fr. 13.Oktober Impruneta - Florenz

23,8km; 190Hm

Nun sitzen wir wieder im Nachtzug Florenz - München und warten auf seine Abfahrt. Die Räder stehen wieder angeschlossen in dem großen Packwagen am anderen Ende des Zuges. Der Kauf der Fahrradkarten am ersten Tag wäre wohl nicht notwendig gewesen. Unser Gepäck ist mit Müh und Not unterm Bett verstaut. Nach der Großräumigkeit des Appartements auf Castello Fulignano wirkt die Enge des Schlafwagenabteiles beklemmend. Hinter uns liegt ein anstrengender Tag mit einer Unmenge an Eindrücken.

Von Impruneta aus hatten wir recht schnell den Stadtrand von Florenz erreicht. Nach wenigen weiteren Kilometern standen wir wieder auf der Piazzale Michelangelo. Auch heute bot sich von ihr bei herrlichem

Bild 1.103: Der Dom von Florenz
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Wetter der bekannte Blick über die Altstadt von Florenz, der von der mächtigen Domkuppel dominiert wird. Auf dem Platz, rund um die Kopie des David von Michelangelo, herrschte der übliche Rummel, der wohl erst wieder in den Abendstunden nachlässt. Dann sollte ein Besuch dieses an sich sehr schönen Ortes noch lohnenswerter sein.

Auf schmalen Wegen gelangten wir von hier in den südlich des Arno gelegenen Teil der Altstadt. Bei dem Versuch, die stark befahrene Uferstraße zu meiden gelangten wir in ein sehr ruhiges fast parkähnliches Viertel unterhalb des Piazzale Michelangelo. Zu beiden Seiten der kleinen Straße lagen großzügigen Gartenanlagen, hinter deren Bäumen sich alte Villen und kleine Paläste verbargen. Langsam beschlich uns der Verdacht, dass wir hier nicht in die Richtung gelangen würden, in die wir eigentlich wollten. Wie sich bald herausstellte waren wir in eine Sackgasse gefahren und mussten schließlich unterhalb der Villa Franchi umkehren, obwohl unser Stadtplan etwas anderes sagte. Dafür hatten wir auf diese Weise eine interessante Seite der Stadt kennengelernt, die wir so nicht erwartet hatten und in die wir wohl sonst nicht gelangt wären.

Bild 1.104: Parkende Motorroller am Straßenrand
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In den schmalen Gassen dominieren Motorroller den Straßenverkehr. Fast überall sind diese kleinen Fahrzeuge am Straßenrand abgestellt, oftmals so dicht, dass man nicht zwischen ihnen hindurch kommt. An einigen wenigen Stellen gibt es sogar ausgewiesene Fahrradparkplätze auf denen auch etliche Räder abgestellt sind. Auch sonst sieht man in den Gassen der Altstadt auffällig viele abgestellte Räder, denen man ansieht, dass sie als tägliches Verkehrsmittel dienen.

Fast an jeder zweiten Straßenecke, am Rand der winzige Plätze hat ein kleines Bistro, eine Pizzeria oder ein Straßencafe es geschafft, einige Tische auf den ganz schmalen Gehsteigen aufzustellen. Von jedem geht ein andere verlockender Duft aus, denen wir letztendlich nicht widerstehen konnten. Schließlich fanden wir sogar eine Lücke am Straßenrand zwischen den ganzen Motorrollern direkt gegenüber eines solchen kleinen Cafés, in der genug Platz für unser Rad war. Hier, in der Via Di San Niccolo, kehrten wir ein, zu einer kleinen Mittagsstärkung und natürlich zu einem guten Cappuccino, der unsere Erwartungen weit übertraf.

Bild 1.105: Eine Tasse Cappuccino
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Nun konnten wir uns in das Touristengewühl in der Altstadt auf der anderen Seite des Arno stürzen. Langsam schoben wir uns durch die Massen auf der Ponte Vecchio. Zu beiden Seiten ein Juweliergeschäft neben dem anderen dicht umdrängt von den Neugierigen. Dazwischen eine nicht feststellbare Zahl von fliegenden Händlern, meist keine Italiener, die ihre Waren, überwiegend aller möglicher Ramsch, auf großen Decken auf der Straße ausgebreitet hatten und versuchten mit vielen Gesten und Worten die Vorbeiziehenden zum Kaufen zu bewegen. Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin rafften immer wieder all diese Händler mit einem geübten Griff ihre ganzen Waren zusammen und verschwanden in der Menge. Irgendwo in der Nähe war ein Streifenwagen oder auch nur ein einzelner Carabinieri aufgetaucht. Kurze Zeit später lagen alle Decken wieder auf der Straße und der Handel ging weiter, so als wäre nichts gewesen. Dieses Katz und Maus Spiel konnten wir überall dort beobachten, wo sich die Touristen drängten, und man wurde den Eindruck eines Rituals nicht los, dass es vorallem dazu diente, den Schein zu wahren.

Von der Ponte Vecchio aus steuerten wir nacheinander all die Plätze an, von denen die einschlägigen Reiseführer behaupten, dass man sie gesehen haben sollte. Wir waren auf dem Piazza del Duomo und bestaunten den riesigen Kuppelbau und den daneben stehenden Kampanile, umrundeten den wohl berühmtesten Platz im Zentrum von Florenz, den Piazza della Signoria mit all seinen Skulpturen und Palästen. In dieser Hinsicht verhielten wir uns nicht anders, als all die anderen Tagesbesucher rund um uns herum.

Bild 1.106: Pantomime vor der Gemäldegalerie
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Vor der Gemäldegalerie, versuchten gleich mehrere Pantomimen durch skulpturengleiches, absolut ruhiges Verharren die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Da wir mit unserem Gespann nicht minder auffällig waren, entspann sich mit einem von ihnen ein gestenreiches Zwiegespräch, das letztendlich das gewünschte Resultat zeigte, mehrere Fotos und ein kleiner Obolus.

Am Eingang der Galerie wartete eine lange Schlange auf Einlass in die Ausstellungshallen. Will man sich die hier der Öffentlichkeit gezeigten Meisterwerke aus dem ehemaligen Privatbesitz der Medici-Fürsten wirklich ansehen, dann reicht ein Tagesaufenthalt in Florenz nicht aus. Das gilt auch für die vielen anderen Museen in den Palästen rund um den Piazza della Signoria. So beschränkten wir uns diesmal auf deren Außenansichten und die davor aufgestellten

Bild 1.107: Abseits der Touristenströme
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Kunstwerke. Vielleicht finden wir in unserem nächsten Italienurlaub die Zeit für einen mehrtägigen Aufenthalt in Florenz. Vor einigen der Sehenswürdigkeiten verweilten wir auch einen Moment und lauschten einem der unzähligen Stadtführern, der gerade einer geführten Gruppe das Besondere des jeweiligen Ortes erklärte, meist in deutscher Sprache. So haben wir unweit des Domes auch viel Interessantes über das Geburtshaus von Dante und dessen Wirken in Florenz erfahren.

Verlässt man die ausgetretenen Touristenpfade, gelangt man in enge, meist sehr ruhige Gassen, die die andere Seite der Stadt zeigen. In den Häusern der Altstadt sind nicht nur Museen, Ausstellungen, Souvenirgeschäfte und Luxusläden, sondern hier wohnen auch ganz normale Menschen. Wir empfanden es als sehr angenehm auch diese Seite zu erkunden und kurvten eine ganze Weile durch diese Seitengassen. Immer dann, wenn wir auf eine der großen Straßen stießen, die rund um die Altstadt führen und auf denen der Autoverkehr tobte, machten wir kehrt und wechselten die Richtung. So kamen wir auch an den kleinen gartenähnlichen Parkanlagen und am Piazza Massimo vorbei. Auf diese Weise entdeckten wir einiges, dass in keinem Reiseführer verzeichnet ist.

In der Lungarno delle Acciaiouli, in der Nähe der Ponte Vecchio sind, eine Unmenge der verschiedensten Schlösser an mehreren Stellen der Ufermauer des Arno angeschlossen. Wir konnten uns erst keinen Reim darauf machen wozu diese gut sein sollten, zumal auf vielen der Schlösser Namen standen. Erst später fanden wir heraus, dass sie von jungen Paaren hier angeschlossen wurden und für immer an ihrem Platz

Bild 1.108: Zeichen der Verbundenheit am Ufer des Arno
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bleiben sollten. Der zugehörige Schlüssel wurde dem Arno übergeben um damit die ewige Verbundenheit zu besiegeln. Ein schöner Brauch, der aber nicht auf die entsprechende Unterstützung der Stadtverwaltung trifft, die den vermeintlichen Schrott regelmäßig mit viel Aufwand wieder entfernen lässt. Eigentlich finden wir das schade.

Mitten auf dem Piazza Santissima Annunzia stand direkt neben dem Brunnen ein sehr auffälliges Fahrrad. Einem Flyer, den wir aus einem kleinen Stapel zogen, war zu entnehmen, dass das hier der Treffpunkt der Florentiner Critical Mass ist, die heute wie jeden letzten Freitag im Monat startet. Eine Startzeit war nicht angegeben, aber es musste wohl noch eine Weile hin sein, denn es waren außer uns kaum weitere Radfahrer zu sehen. Bis jetzt war ihre Zahl noch sehr weit von einer kritischen Masse entfernt. Lediglich der Eigentümer des Rades war schon da. Er versuchte auf Italienisch uns zum Mitfahren zu

Bild 1.109: Treffpunkt zur Critical Mass
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überreden. Uns stand der Sinn jedoch nicht nach einer Kraftprobe mit dem motorisierten Verkehr in Florenz und so lehnten wir sein Ansinnen ab. Aber als Treffpunkt haben die Organisatoren einen sehr schönen Ort gewählt, etwas abseits vom Stadtzentrum gelegen und damit nicht so überlaufen wie die anderen Plätze der Stadt. Auf zwei Seiten ist er von eleganten Bogengängen umgeben auf deren Treppen man sich vorzüglich ausruhen kann.

Erst zum Abend hin, als es schon anfing Dunkel zu werden, wurde es langsam leerer auf den Straßen und Plätzen der Stadt. Die Mehrzahl der Tagesgäste war mit ihren Bussen wieder abgereist und für die fliegenden Händler fehlte nun die Kundschaft. Wir kehrten jetzt zum letzten Mal in ein kleines, aber echtes italienisches Straßenrestaurant am Piazza Santa Croce ein. Bevor wir endgültig zum Bahnhof aufbrachen, drehten wir noch eine letzte Runde über die großen Plätze, vorbei an all den Palästen und Kunstwerken, die durch die Scheinwerfer künstlich angestrahlt in einem ganz andern Licht erschienen.

Bild 1.110: Dante Denkmal vor der Kirche Santa Croce
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Unserer nächsten Italienreise werden wir mit Sicherheit so planen, dass wir direkt in den sehenswerten Orten unsere Quartier aufschlagen, denn erst zum Abend hin entfalten sie ihren wirklichen Reiz. Das ist uns hier in Florenz noch einmal bewusst geworden.

schaefer 2007-10-07